Glockenguss der Michaelsglocke für Maria Königin 3. Juli 2020

Es war ein beeindruckendes Erlebnis, beim Guss der neuen, fünften Glocke für die Kirche Maria Königin in der Glockengießerei Bachert in Neunkirchen dabei zu sein.

Das Geläut im Turm der 1963 geweihten Kirche bestand bisher aus 4 Glocken. Die drei kleineren – gestimmt auf d‘ (1560 kg), f‘ (940 kg) und g‘ (660 kg) stammen von 1962 aus den Anfängen der Kirche, damals gegossen vom Senior-Seniorchef Bachert. 2012 bekamen diese drei „kleinen“ Glocken eine gewichtige, wohl und sonor klingende große Schwester hinzu, die Gloriosa mit ihren 3655 kg, gestimmt auf b0.

Prof. Dr. mult. h.c. Michael Ungethüm, ehemals Aufsichtsratsvorsitzender der AesculapAG, in Nachbarschaft zum Campanile wohnend, hatte die „grande Dame“ des Turms gerade rechtzeitig zum 50. Geburtstag der Kirchengemeinde gestiftet. Schon das war ein grandioses Ereignis.

Allerdings gibt es im Glockenturm noch Platz für eine 5. Glocke … – und in freundschaftlicher Einstimmigkeit gingen Dekan Matthias Koschar und Pfarrer Richard Grotz gemeinsam mit Prof. Ungethüm bereits vor 2 Jahren ans Planen einer 5. Glocke.

Vor wenigen Tagen hat nun dieser Glockenguss – unter der Ägide des Juniorchefs Bachert – in guter Familientradition stattgefunden. Mit von der Partie waren neben dem Stifter und den Pfarrern der Künstler der Glockenzier, Roland Martin mit seiner Frau und seinem Mitarbeiter, der Oberbürgermeister der Stadt Tuttlingen, Michael Beck mit Frau Friederike und Dr. Cornelia Seiterich-Stegmann, als Gewählte Vorsitzende des Kirchengemeinderats, unter Corona-Bedingungen stellvertretend für alle, die die neue Glocke bald neugierig und dankbar in Empfang nehmen werden.

Gegossen wurde archaisch, mit Fingerspitzengefühl und Andacht, mit „von der Stirne heiß rinnendem Schweiß“ und einer Glockenspeise, deren letztendliche Rezeptur Familiengeheimnis der Familie Bachert ist: die St. Michaelsglocke, die zweitgrößte mit ihren 2500 kg, gestimmt auf c‘.

Nicht nur, dass die Michaelsglocke den Stifternamen (und den Namen unseres OB) trägt, der Name passt auch in unsere besondere Zeit: Michael heißt aus dem Hebräischen: „Wer ist wie Gott?“ – eine Frage, die sich in Anbetracht der Coronapandemie in diesen Tagen immer wieder aufdrängte, wenn es um Omnipotenzfantasien bezüglich menschlicher Möglichkeiten und Grenzen ging. Michael steht auch für den Schutz alles Bedrohten. Der Erzengel ist der Kämpfer gegen alles Böse, gegen Teufel und Höllendrachen. Und er, der Chef der himmlischen Heere, ist der Beistand in größter Seelennot, wenn es darum geht, nach dem Tod die Seelen zu wiegen und sie nicht zu leicht fürs Himmelreich zu befinden. Michael geleitet die Seelen zurück ins Paradies, aus dem sie mit der Selbstüberschätzung, sein zu wollen wie Gott, mit seinem Flammenschwert vertrieben wurden …

So tiefsinnig und in gewohnter Brillanz hat Roland Martin die Glockenzier gestaltet: sie formuliert die Vertreibung der Menschen aus dem Paradies in ihr irdisches Dasein und den Sieg des Erzengels über den Höllendrachen und das Böse in der Welt. Zudem wird die neue Glocke überzogen vom bayrischen Rautenmuster als Hommage an die Herkunft des Stifters, und der Name der Glocke „Michael“ ist polyglott in allen Schriften des Abendlandes von Lateinisch über Koptisch bis zum Hebräischen verzeichnet. Zudem die Bitte, dass Michael das Leid der Krankheit Corona endlich und endgültig in die Flucht schlage.

Die Michaelsglocke ist gegossen und reift in der Erde der Glockengrube in Neunkirchen, bis sie das Geläut der Kirche Maria Königin bald vervollständigt. Es mag dann klingen wie das Geläut einer großen Domkirche und ist nicht mehr als der Anruf an die Menschen in Tuttlingen, um Gottes Präsenz in der Wirklichkeit zu wissen, aber auch nicht weniger. Frei nach Friedrich Schiller: Das Werk wird den Meister Bachert, den Künstler Roland Martin und den Stifter Prof. Michael Ungethüm bei jedem Läuten loben, doch der Segen – auch heute – kann nur von oben kommen.

 

Dr. C. Seiterich-Stegmann

 

Fotos:

Kleine Videoclips zum Glockenguss finden Sie auf unserem Youtube-Kanal „KircheTUTgut“.